Verkehrswert, Marktwert oder Market Value?
Worin besteht der Unterschied zwischen einem Marktwert und einem Verkehrswert? Die Begriffe Verkehrswert und Marktwert sind gleichbedeutend. Historisch wurde in Deutschland in der Branche immer einmal wieder der Begriff Verkehrswert eher gebraucht, um sich beispielsweise auf ein Sachverständigengutachten mit mutmaßlich weniger Marktnähe zu beziehen. Ein Marktwertgutachten bezog sich dahingegen auf Berichte auslandserfahrener Bewerter mit vermutet größerem Marktbezug. Diese Unterscheidung ist durch die Globalisierung der Immobilienmärkte und der Weiterbildung in den letzten Jahrzehnten nicht mehr üblich. Die Verwendung der Begriffe allein ist auch kein Merkmal zur Beurteilung der Qualität eines Gutachtens.
Der Verkehrswert ist der geschätzte Betrag, der bei einer angenommenen, marktüblichen Veräußerung der Immobilie zu einem Stichtag am wahrscheinlichsten zu erzielen wäre. Subjektive Einschätzungen oder persönliche Interessen bleiben dabei unbeachtet. Er ist eine objektivierte Schätzung, die mit einem – gegebenenfalls subjektiv beeinflussten – tatsächlichen Kaufpreis nicht identisch sein muss und naturgemäß auch nicht immer sein kann.
Für die Interessierten: Die lesenswerte Definition findet sich in § 194 BauGB (Baugesetzbuch): „Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
Deutsches Verkehrswertgutachten oder internationaler Market Value?
Je nach Zweck, Erfordernis und Leserschaft eines Immobiliengutachtens werden unterschiedliche Vorschriften zugrunde gelegt. Bei deutschen Kunden ist oft die bereits genannte Bestimmung des Verkehrswerts (Marktwerts) nach Baugesetzbuch angezeigt. Die Bewertungsmethoden werden im Gutachten analog den Verfahrensvorschriften der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) angewandt (sie sind „normiert“).
Bei internationalen Kunden oder globalen Geschäftsbeziehungen ist oft ein Bericht nach International Valuation Standards (IVS) angebracht. Dort ist der Marktwert wörtlich anders, aber inhaltlich gleich zum deutschen Verkehrswert bestimmt.
Für Interessierte: „der geschätzte Betrag, zu dem eine Immobilie zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“
Unterscheiden sich die Bewertungsmethoden oder die Gutachten?
Bei den internationalen Bewertungsmethoden gibt es zumeist keine normierten Verfahrensvorschriften. Sie sind auf der einen Seite zwar ähnlich, so werden beispielsweise beim Ertragswert immer künftig erwartete Erträge kapitalisiert. Auf der anderen Seite unterscheiden sie sich indes im Vergleich zu Deutschland auch, weil relevante Daten unterschiedlich verfügbar sind.
Von den Titel tragenden Gutachtern (HypZert, öffentliche Bestellung, MRICS und dergleichen) wird die Einhaltung ethischer Standards wie Unparteilichkeit, Offenlegung von eventuellen Interessenkonflikten, Vertraulichkeit usw. verlangt. Dies wird in deutschen Verkehrswert-Gutachten nicht immer explizit erwähnt. Die gemäß den Vorschriften der RICS erstellten Gutachten beinhalten dahingegen zwingend weitere Angaben zur Einhaltung ethischer Standards und zur Transparenz der Beauftragung. Die Standards sind niedergeschrieben im sogenannten „Red Book“ inklusive IVS der Royal Institution of Chartered Surveyors.
Ein Verkehrswertgutachten nach hier gängigen Vorschriften kann also auch international verwendet werden. Für das Verständnis einer globalen Leserschaft ergänzt der Gutachter idealerweise den meist englischsprachigen Bericht mit Erläuterungen zur Funktionsweise des hiesigen Marktes und seiner Mechanismen. Die Schlussfolgerung zum Verkehrswert / Marktwert ist – unabhängig von den verwendeten Definitionen und Methoden – gleich.